Die Kurden sind wahrscheinlich das grösste Volk, das keinen eigenen Staat hat. Sie leben verstreut in vielen Ländern. Die Tatsache, dass sie in einer für sie fremden und oft auch feindlichen Umgebung leben, lässt sie umso fester an ihren geschichtlichen Wurzeln und ihrer kulturellen Identität festhalten. Im Laufe der Jahrhunderte sind die meisten Kurden Moslems geworden, doch es gibt auch kurdische Jesiden, die einer Mischung von verschiedenen Glaubensrichtungen wie Zoroastrismus, Islam, Christentum und altem Heidentum anhangen. Diese synkretistische Religion geht auf einen Sufi-Scheich zurück, der sie im Irak während des Mittelalters begründete. Der jesidische Gottesdienst beinhaltet die Anbetung der Sonne und räumt der Anbetung der Engel, unter denen auch der Geist des Bösen ist, viel Raum ein. Die in Russland lebenden Kurden sind meistens Jesiden.
Der Glaube scheint für viele Kurden von grosser Bedeutung zu sein, und ihr religiöser Eifer erinnert an apostolische Zeiten. Wenn sich ein Glied der kurdischen Gemeinschaft zum christlichen Glauben bekehrt, bewirkt das einen heftigen geistlichen Kampf. Seitdem die Bibelübersetzung angefangen hat, Früchte zu tragen, haben viele kurdische Familien und ganze Sippen aus Russland und der Gemeinschaft unabhängiger Staaten Christus angenommen und sind eifrige Glieder der evangelikalen oder der orthodoxen christlichen Gemeinden geworden. Einer unserer Übersetzer hat Christus im Alter von 12 Jahren angenommen, und seine Eltern folgten mit der Zeit nach. Es ist dies ein typischer Weg, dass die Bekehrung einer Familie bei einem Kind anfängt. Ein junger Kurde, der in einer orthodoxen Kirche zum Glauben gekommen ist, bezeugt, wie er bei seiner Taufe ohnmächtig geworden sei und dann gefühlt habe, wie seine Seele von einer realen Macht befreit worden sei, die ihn vorher besetzt gehalten hatte. Seine Eltern, die gegen seine Wahl des Christentums protestiert hatten, bemerkten die Veränderung bei ihrem Sohn und wurden später auch getauft. „Der jesidische Gott ist seinen Nachfolgern sehr fern“, sagt der junge Kurde. „Als ich erstmals von Christus las, war ich sofort von Liebe zu ihm erfüllt. Ich las 4-5 Stunden ohne Unterbrechung im Evangelium, und das war mir noch nicht genug.“ Ein anderer unserer Übersetzer, der nun ein pfingstlicher Pastor ist, erzählt, wie er sich nicht vom Lesen des Evangeliums losreissen konnte und das selbst während des Autofahrens. Einmal hielt er bei einer Verkehrsampel an, fing wieder mit Lesen an und vergass dabei Ort und Zeit. Kein Wunder also, dass er zur Polizei gebracht wurde. Dort fanden sie, er sei übermüdet, und verordneten ihm zwei Stunden Schlaf. „Ich war absolut glücklich,“ berichtet er, „so bekam ich zwei zusätzliche Stunden Zeit für das Lesen des Evangeliums!“
Nun sind dem kurdischen Neuen Testament der Pentateuch und einige weitere alttestamentliche Schriften gefolgt. Sogar für Nichtchristen werden diese zu einem sehr begehrten Lesestoff, weil die Kurden hier Geschichten finden, die ihrer Überlieferung ähnlich sind. Unerwarteterweise erkennen sie in Ruth und David Helden aus alten kurdischen Legenden und aus ihrer Geschichte wieder. Ein bekannter kurdischer Schriftstelle sagt, obwohl er kein Christ ist: „Ich weiss nicht, was der kurdischen Literatur geschehen wäre, wenn es Ihre Bibelübersetzung nicht gäbe. Wahrscheinlich wäre sie schon verschwunden. Obwohl ich kein Christ bin, will ich Ihre Übersetzungen auf alle möglichen Weisen unterstützen.“ Es gibt immer mehr Fälle, wo so eine biblische Schrift als ein kostbares Hochzeitsgeschenk betrachtet wird.
Kürzlich fand in einem kurdischen Dorf eine religiöse Versammlung der Jesiden statt. Ihr Ziel war, weitere Übersetzungen von Bibelteilen zu verhindern, weil diese die traditionelle Religion bedrohen. Es wurde auch nach Wegen gesucht, wie man sich des Übersetzers, der das Evangelium verbreitete, entledigen könnte. Da ergriff einer der Führer des Dorfes das Wort und sagte: „Was habt ihr als religiöse Führer für unser Volk in bezug auf sein kulturelles Erbe getan? Wir verlieren unsere Sprache, wir sind dabei, unsere Kultur zu vergessen. Aber dieser Mann hat unserem Volk einen kostbaren Schatz geschenkt. Durch dieses Buch wird unsere Sprache bewahrt! Alte Wörter, viele Ausdrücke und Redewendungen unserer Sprache werden so bewahrt.“ Und die Versammlung pflichtete ihm bei, dass dieses kostbare Buch geschätzt und den Kindern empfohlen werden sollte.
Alle kurdischen Bücher werden in kyrillischer und in lateinischer Schrift gedruckt, denn beide Schriftarten sind je nach Standort des jeweiligen kurdischen Dorfes und der Herkunft dessen Bewohner verbreitet. Das macht die Bücher zwar teurer, aber für die Leserinnen und Leser zugänglicher. Die neuen Übersetzungen sind sehr gefragt und werden in beiden Schriftarten in verschiedenen Teilen Russlands und in anderen Ländern sehnlichst erwartet. Von Jahr zu Jahr lernen dank dem grossen Interesse für die biblischen Übersetzungen mehr und mehr Kurden, in ihrer Muttersprache zu lesen. Diese Bücher werden als erstrangige kurdische Literatur betrachtet. Nun werden die Psalmen für die Veröffentlichung vorbereitet. In Rhythmus und Stil gleichen sie der kurdischen Poesie, und so werden sie der Wiederbelebung der Sprache und der Poesietradition neue Impulse geben. Den kurdischen Gläubigen werden sie auch neue Wege öffnen, um aus ihrem tiefsten Herzen in ihrer Muttersprache zu Gott zu sprechen.
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