In den alten altaischen Epen begegnen wir oft folgendem Erzählmuster: Menschen, die versklavt und in ein fremdes Land weggeführt worden sind, hängen eine Wiege mit einem Säugling an einen Ast in der Hoffnung, jemand möge das Kind finden, es pflegen und erziehen. Erinnert uns das nicht an eine bekannte biblische Geschichte? Wir wissen nicht, ob die alten Altaier je von Mose gehört haben, aber in der Sage „Maadai Kara“ beginnt das Leben ihres Volkshelden Kogudey-Mergen genau auf diese Weise. Als Erwachsener steigt Kogudey-Mergen in die Unterwelt hinunter, um Erlik (entspricht für die Altaier dem Teufel) zu bekämpfen, und er besiegt ihn auch. Aus der Knechtschaft der Unterwelt befreit, danken die Menschen dem Helden für die Rettung. Was ist da passiert? Ist es einfach ein zufälliges Stück einer alten Volkserzählung, oder ist es ein intuitives Erfassen der Geschichte vom Himmelreich, das zu der Zeit, da das Epos auftauchte (die Wissenschaftler situieren dies zwischen dem 6. und dem 8. Jahrhundert nach Christus), schon erschienen war? Könnte es sein, dass ein Echo der christlichen Verkündigung auf irgendeine Art das Altaigebirge erreicht hat und durch die Geschichtenerzähler neu interpretiert worden ist? „Wir haben hier eine Geschichte, die sehr nahe am Evangelium ist“, sagt eine junge Altaierin, die vor kurzem angefangen hat, einen biblischen Internetauftritt in ihrer Muttersprache zu entwickeln. Es war ihr brennender Wunsch, andere junge Altaier an das kurz zuvor erschienene Neue Testament heranzuführen, und so kam sie auf die Idee mit der neuen Webseite. „Womit könnten wir denn anfangen?“ fragte sie sich. Der biblische Text war vorhanden, die Audio-Aufnahme war bereit… aber die potentiellen Empfänger waren völlig unvorbereitet für die biblische Botschaft. Die Bibel ist nicht einfach zu verstehen, und viele nach geistlicher Wahrheit suchende Altaier wenden sich eher dem traditionellen Glauben ihrer Vorfahren zu, dem Burchanismus, auch bekannt als „der weisse Glaube“. Schamanismus und Tengrismus sind weitere geistliche Wege, die von vielen Altaiern eingeschlagen werden. Davon zeugen die zahlreichen Webseiten, die sich im Internet mit diesen Religionen befassen. Die Auswahl ist tatsächlich reichhaltig.
Unsere altaische Internet-Frau fragte sich immer wieder: „Wie können wir die Bibel näher an die Herzen der altaischen Bevölkerung bringen? In Wirklichkeit ist sie ihnen ja gar nicht so fremd.“ Die nomadische Lebensweise oder der Brauch derpfer aus der Zeit des Alten Testaments sind ihren Gebräuchen ähnlich. Die Menschen in den Bergdörfern des Altai leben in Vielem ähnlich wie die Patriarchen des Alten Testaments. Sogar der altaische Name Madai, der im Titel des oben erwähnten Epos „Maadai Kara“ vorkommt, entspricht einem der in der Völkertafel von 1. Mose 10 aufgeführten Namen (Vers 2). (Wir haben oft festgestellt, dass solche zufälligen Übereinstimmungen mithelfen, den biblischen Text der Kultur einer bestimmten Volksgruppe näherzubringen.)
Sie beschloss, ihren Onkel, einen Meister der altaischen Kunst des Kehlkopfgesangs, um Rat zu fragen. Dieser Mann hat ein zeitgemässes Epos mit dem Namen „Jeschua“ geschaffen, welches die biblische Geschichte von der Genesis bis zur Offenbarung im Kai-Stil der altaischen Poesie erzählt. Der Onkel rief die ganze lokale Kirchgemeinde zusammen, damit alle miteinander einen passenden Namen für die neue altaische Webseite wählen konnten. Der Name, der schliesslich vorgeschlagen wurde, ist den Altaiern sehr lieb: „Sudur Bichik“ oder „Das prophetische Buch“. Als seine Nichte den Namen hörte, wurde sie augenblicklich in die Tiefen ihrer Kindheit zurückgeführt. Eine alte Legende, die sie von ihrer Mutter gehört und später wieder vergessen hatte, war wieder in ihr Bewusstsein getreten.
Gemäss dieser Sage hat das altaische Volk in alten Zeiten ein prophetisches Buch besessen, und wer auch darin las, fand die Antwort auf jede Frage, verstand den Lauf der Dinge und gelangte zu den Geheimnissen des Universums. Nur – das Buch war verloren gegangen! Die altaischen Nomaden witzelten, eine Kuh habe es verschluckt, da die in der altaischen Küche gebrauchten inneren Organe der Kuh an ein Buch erinnern. Nun, das Buch mag verschluckt worden sein, aber was war mit der prophetischen Weisheit? Niemand wusste, wo sie zu finden wäre… Und so beschloss die lokale Gemeinde, die neue Webseite „Sudur Bichik“ zu nennen (sudurbichik.ru). Mit dem Namen wurde auch das Konzept klar – Wir haben das verlorene Buch gefunden! „Das ist genau der Punkt“, freut sich die altaische Betreuerin der Webseite. „Die Bibel ist das prophetische Buch, das die Altaier und mit ihnen alle anderen Völker seit Urzeiten suchen.“
Für diese junge Frau haben sich die Geheimnisse des verlorenen Buches besonders durch das Lesen der prophetischen Bibelteile schon zu enthüllen begonnen. „Mich interessiert besonders das Buch Daniel“, sagt sie. „Wenn du genau liest, erkennst du im ersten Tier von Daniels Vision (Daniel 7,4) das Wappen der Altaischen Republik. Unser Wappentier ist der Vogel Greif. Es ist ein Symbol für die alte Pasyryk-Kultur, die zeitlich mit dem Babylonischen Reich zusammenfällt. Für mich ist Daniels Appell an Nebukadnezzar wie eine Offenbarung: ‚Du, König, bist der König der Könige; dir hat der Gott des Himmels Herrschaft und Macht, Stärke und Ruhm verliehen. In der ganzen bewohnten Welt hat er die Menschen… in deine Hand gegeben; dich hat er zum Herrscher über sie alle gemacht‘. (Daniel 2,37-38) Es mag sein, dass die Menschen jener Zeit ihrem beschränkten geographischen Wissen entsprechend redeten, aber wir können diese Worte auch so interpretieren, dass es tatsächlich ‚ein goldenes Haupt‘ gab – dieses eine babylonische Reich, das sich bis zu den entferntesten Winkeln der Erde, den Altai inbegriffen, ausgedehnt hat. Und die Resten der Pasyryk-Kultur auf den Hochebenen des Altai zeigen, wie eng die Menschen damals mit Persien und Indien verbunden waren.“
Das ist aber nicht alles. In den prophetischen Büchern der Bibel fand sie auch eine Antwort auf die besonderen Bedürfnisse ihrer Kirche: „Im Buch des Propheten Haggai sehe ich klar eine Botschaft für meine Kirche, einen Ruf, alle unsere Kräfte für den Bau des Hauses Gottes einzusetzen.“
Auf der neuen Webseite wird man bald ein Video der Aufführung des Epos „Jeschua“ mit Bildern der unberührten Natur im Altaigebirge finden. Schon vorhanden ist das Neue Testament in der neuen altaischen Übersetzung begleitet von der Audio-Aufnahme und dem russischen Paralleltext. Diese sind in verschiedenen Formaten abrufbar, auch solchen, die für mobile Geräte geeignet sind. Die Seite fordert auch zu aktivem Feedback und zur Mitarbeit auf: Man kann die Bibel online studieren, eigene Gedichte oder eigene Musik hochladen, oder man kann ein Zeugnis seines Lebens auf Altaisch weitergeben. Den Bibeltext zu studieren ist die wahre Erfüllung für die geistliche Sehnsucht der Altaier, die sich in ihrem Glauben an das alte prophetische Buch „Sudur Bichik“ findet. Das können die Altaier aber nur gemeinsam tun. So verbindet die „Sudur Bichik-Webseite“ die altaische Tradition mit einem lebendigen Strom von neuen Ideen. Uralte Hoffnungen und drängende Gegenwartsfragen finden so ihren Ausdruck und werden mit dem Buch der Bücher beantwortet – dem verlorenen und wiedergefundenen prophetischen Buch.
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