Das Institut für Bibelübersetzung (IBT) hat soeben eine Sammlung von Gleichnissen des Lukasevangeliums in der digorischen Variante der ossetischen Sprache herausgegeben. Dies ist nun schon die zwölfte Sprache, in der die Gleichnisse in dieser Form veröffentlicht werden: Es begann 2007 mit dem Agulischen, von 2015-2019 wurden dann Übersetzungen in die beschtinische, tatarische, rutulische, tsachurische, darginische, dunganische, kumykische, nogajische, kabardinische und die ewenkische Sprache publiziert.
Die digorische Variante des Ossetischen, die von ca. 100 000 Menschen im Nordkaukasus gesprochen wird, ist die Muttersprache von einem Sechstel aller Osseten. Sie leben vorwiegend in den westlichen Ebenen von Ossetien und auch in der Digor-Schlucht sowie in der Region Mosdok, und selbst in Vladikavkas, der Hauptstadt der Teilrepublik Nordossetien-Alanien. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde das Digorische noch als eigene Sprache aufgefasst, für die auch ein spezielles Alphabet entwickelt und eine literarische Tradition begründet wurde, welche bis heute anhält. So erscheinen zwei Zeitungen in digorischer Sprache, eine Literaturzeitschrift, und in Vladikavkas gibt es das Digorische Dramatische Theater; es werden Wörterbücher und Anthologien von digorischer Poesie und Prosa herausgegeben.
Mit der Publikation des Sammelbandes Gleichnisse aus dem Evangelium wurde die digorische Literatur um die Texte von vier Gleichnissen des Lukasevangeliums bereichert: Vom barmherzigen Samariter (Lk 10:30-35), Vom großen Festmahl (Lk 14:16-24), Vom Verlorenen Sohn (Lk 15:11-32) und Vom Pharisäer und dem Zöllner (Lk 18:10-14). Die Ausgabe ist mit 35 Zeichnungen versehen, die die Themen der Gleichnisse anschaulich illustrieren. "Biblische" Landschaften, Behausungen, Gesichtszüge der Figuren - alle Bilder, gezeichnet von einem kaukasischen Künstler, sind mit den örtlichen, kaukasischen, Realien verschränkt, werden erkenntlich und bringen das Erzählte dem Leser näher.
Am 19. November 2019 wurden die Gleichnisse des Evangeliums auf Digorisch in Vladikavkas anlässlich der VIII. Sankt-Georgs-Tagung "Orthodoxie. Ethnos. Kultur" präsentiert. Eine der thematischen Blöcke dieser Veranstaltung war der Übersetzung der Heiligen Schrift und der liturgischen Texte in die ossetische Sprache gewidmet. In der Resolution der Tagung wurde diesbezüglich unterstrichen, dass die möglichst baldige Übersetzung der Gesamtbibel in die ossetische (Iron) Sprache eine vordringliche Aufgabe ist; es wird auf die Wichtigkeit der Wiederaufnahme regulärer Gottesdienste in ossetischer Sprache in einigen Pfarrbezirken, sowohl in der Hauptstadt, wie auch in den Regionen Nordossetiens hingewiesen. Auch wird dazu aufgerufen, einen Maßnahmenkomplex auszuarbeiten, um die Durchsetzung der ossetischen Sprache in der gottesdienstlichen Praxis zu fördern; ausserdem wurde ein Vorschlag der Kommission zur Übersetzung von liturgischen Texten ins Ossetische unterstützt, der vorsieht die Liturgie in der Iron-Ossetischen Sprache zur Verwendung durch Laien zu veröffentlichen und auch eine Übersetzung der Liturgie in die Digor-Ossetische Sprache zu realisieren.
Das IBT-Projekt für die Bibelübersetzung ins Digorische wird fortgesetzt: Es laufen die Arbeiten am Lukasevangelium und am Matthäusevangelium. Bereits 2002 hat das Institut das Johannesevangelium in digorischer Übersetzung publiziert. Diese Übersetzung wurde dann 2013 als Hörbuch herausgegeben.
Sie können sowohl die Gleichnisse des Lukasevangeliums wie auch das Johannesevangelium in digorischer Sprache auf der IBT-Webseite in der Sparte Bibelübersetzungen in elektronischen Formaten kennenlernen.
Zum russischen Originaltext der Resolution
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