Der Coronavirus hat auch vor dem Institut für Bibelübersetzung IBT nicht Halt gemacht. Das schon lange geplante Praxis-Seminar zu den Kleinen Propheten musste kurzfristig auf ein Webinar, also ein online-Fernseminar auf der Plattform Zoom umgerüstet werden. Allerdings hatte das für einige Teilnehmende auch Vorteile, vorallem für diejenigen die gleichzeit universitäre Aufgaben haben und im Examen-Monat Juni nicht so leicht abkömmlich sind. Organisatorisch anspruchsvoll war dieses Webinar dennoch, nur schon weil die Teilnehmenden über sehr viele Zeitzonen verstreut leben, von den USA bis nach Jakutien.
Am Seminar waren insgesamt 18 Projekte von IBT und Partnerorganisationen vertreten: Adygeisch, Awarisch, Balkarisch, Darginisch, Lesginisch, Kumykisch, Nogaiisch, Ossetisch, Tabassaranisch, Tsachurisch (alle Nordkaukasus), Kalmückisch (Südrussland), Kirigisisch (Zentralasien), Mari, Erza-Mordwinisch (beide Mittelrussland), Ewenkisch, Jakutisch (beide Sibirien), Russische Gebärdensprache.
Das Seminar/Webinar war den beiden Prophetenbüchern Habakuk und Maleachi gewidmet und stand unter der Leitung des IBT-Direktors Vitalij Vojnov, dem IBT-Konsultanten Dr. habil. Andrej Desnitskij und dem exegetischen Redakteur Evgenij Šved.
Als grundsätzliches Problem bei der Übersetzung der Kleinen Propheten definierten die Teilnehmenden das Fehlen von Anhaltspunkten für die situative Einbettung der Prophetenworte. Die Leiter lenkten die Aufmerksamkeit entsprechend auf indirekte Hinweise, die für die Übersetzung herausgearbeitet werden sollten. Ein weiterer Schwerpunkt waren die Übersetzung von Metaphern in die so unterschiedlichen Zielsprachen. In der praktischen Arbeit wurde dem Stil, insbesondere dem poetischen Stil große Aufmerksamkeit geschenkt. In einzelnen Projekt wurde versucht, die ganzen Texte in der Zielsprache in einen poetischen Modus und Rythmus zu übertragen.
Es wurde auch als wichtig erachtet, in der Terminologie konsequent vorzugehen und eine Einebnung von schwierigen Stellen zu vermeiden. "So sagt man das nicht in unserer Sprache" weist auf die Problematik hin, dass gewisse Stellen auch im biblischen Originaltext widerständig sind und aus dem natürlichen Sprachfluss herausragen. Das Phänomen der Einebnung solcher Stellen wird auch "Domestizierung" genannt. Ziel ist es, mit wachsender Erfahrung im Bibelübersetzen solche Herausforderungen souverän zu meistern.
Die Plattform "Zoom" erlaubte auch praktisches Arbeiten in Gruppen, so wurde das vorgegebene Ziel, die beiden Prophetentexte zumindest in Entwurfform fertigzustellen, in allen Projekten erreicht. Einzelne Projekte sind sogar bis zu einer sprachlich und exegetisch bereinigten Fassung vorgestossen, die nun mit Muttersprachlern auf ihre Verständlichkeit und Natürlichkeit getestet werden kann (Darginisch, Kalmückisch, Erza-Mordwinisch).
So gelang es dem IBT dank den schwierigen Bedingungen der Quarantäne, neue Unterrichtsformen zu entwickeln. Bereits wird ein nächstes Webinar für 2021 geplant, das dann der Jeremias-Klage oder dem Hohelied gewidmet sein soll.
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