Rundbrief, Winter 2021-2022

Chakassien in Südsibirien ist in mancher Beziehung ein einzigartiges Land. Es gilt zu Recht als das „archäologische Mekka“ Sibiriens, ein Land mit reicher Geschichte und alter Kultur. Mehr als 30‘000 archäologische Funde sind hier bewahrt. Chakassien wird auch „das Land der 1000 Seen“ genannt und ist für die Heilkraft des mineralhaltigen Wassers in einigen dieser Seen bekannt. Der Tus-See (auf Chakassisch „Salzsee“) wird sogar „das chakassische Tote Meer“ genannt. Wie im Toten Meer in Israel kann man sich auf das salzhaltige Wasser legen ohne unterzugehen.

Das chakassische Volk stammt von den Jenissei-Kirgisen ab, die im 7. Jahrhundert n. Chr. über Chakassien herrschten und später von mongolischen Stämmen erobert wurden. Heute sind die Chakassen weder Moslems, wie etwa die Kirgisen in Zentralasien, noch Buddhisten, wie die benachbarten Tuwiner, die in ihrer Geschichte zeitweise auch von der Mongolei beherrscht worden waren.

Rundbrief, Herbst 2021

Die erste Ausgabe der tuwinischen Bibel wurde von den Überprüferinnen und Überprüfern sowie der tuwinischen Öffentlichkeit sehr geschätzt. Trotzdem wurde vor kurzem anlässlich eines Treffens des  Übersetzungsteams mit tuwinischen Kirchenvertretern entschieden,  ein Projekt für die Revision dieser Bibel in Angriff zu nehmen. Warum ist das nötig? Der Exeget des tuwinischen Projekts, der IBT-Direktor Vitaly Voinov, beantwortet diese Frage:

„Was immer Menschen auch zustande bringen, es ist nie vollkommen. Selbst wenn wir höchst professionell vorgehen, besteht immer die Möglichkeit, dass die Zeit und eine neue Perspektive aufzeigen, was noch verbessert werden könnte. Dazu kommt, dass die Sprache und die Kultur nie statisch sind, und so muss die Übersetzung immer mit den Veränderungen Schritt halten. Die alten Griechen sagten: πάντα ρεῖ ‚Alles fliesst‘ – so ist es eben auch mit der Sprache und der Kultur. Und wir als Bibelübersetzer müssen das akzeptieren und uns danach ausrichten.

Rundbrief, Sommer 2021

Nina, eine Überprüferin im kalmückischen Bibelübersetzungsprojekt, ist eine der ersten lokalen Mitarbeiterinnen, die sich für die Aktivitäten des IBT Russland engagiert hat. Sie begann damit im Jahr 1992 und hat bis heute daran festgehalten. Als ich sie fragte, wie sie zur Übersetzung der Bibel gekommen sei und ob sie für diese Arbeit ausgewählt wurde, weil sie eine Sprachwissenschaftlerin oder weil sie Christin war, konnte sie mir zuerst die Frage gar nicht beantworten. Es schien, als ob der wahre Grund für Nina immer noch ein Geheimnis sei. So begannen wir, das Durcheinander in dieser Lebensphase gemeinsam zu entwirren.

Rundbrief, Frühling 2021

Diese Worte wurden vor einigen Jahren anlässlich einer Israel-Studienreise für unsere IBT-Übersetzerinnen und Übersetzer ausgesprochen. Unser kabardinischer Übersetzer fasste seine Erfahrungen auf dieser Reise so zusammen: „Ohne Zweifel, diese Reise war eine der grossartigsten meines Lebens. Wir hatten Gelegenheit, alle in den biblischen Geschichtsbüchern erwähnten Orte zu sehen.

3. Dezember 2020

Ich blätterte gerade im Tabassaranisch-Russischen Wörterbuch, das von Selina (Name geändert), einer tabassaranischen Sprachwissenschaftlerin, entwickelt worden ist, als mich ein Gedanke durchzuckte: „Auf Russisch bedeutet das Wort ‚ad‘ Hölle, während das gleiche Wort ‚ad‘ auf Tabassaranisch für Herrlichkeit steht… Fühlt sich das für tabassaranische Beter nicht merkwürdig an?“ Selina ist die Verständlichkeitsüberprüferin und die lokale Koordinatorin im IBT-Bibelübersetzungsprojekt, und ich wusste von ihr auch, dass sie eine Christin ist. Als ich ihr gegenüber meine Vermutung äusserte, dass sie in ihrer Kirche wohl die tabassaranische und nicht die russische Sprache brauche, lachte sie jedoch fröhlich über meine totale Ahnungslosigkeit. „Glaubst du wirklich, dass es in meinem Volk so viele Christen gibt, dass wir eine tabassaranisch sprechende Gemeinde führen könnten?“ fragte sie. „In unserem Übersetzungsteam gibt es gerade mal zwei Christen, den Übersetzer und mich. Alle anderen Team-Mitglieder sind Muslime wie die grosse Mehrheit unseres Volkes. Natürlich müssen wir eine russischsprachige Gemeinde besuchen.“